German News, November 1996
Rechtsanwalt Dr. Kurt Klaßen
Mit dem heutigen Artikel wollen wir eine Serie zum Arbeitsrecht in Deutschland beginnen. Für amerikanische Verhältnisse mag es vielleicht etwas fremdartig klingen, eine ganze Serie zum Arbeitsrecht zu schreiben. In Deutschland ist jedoch aus sozialpolitischen Gründen das Arbeitsrecht eines der umfangreichsten Rechtsgebiete, die es im deutschen Recht gibt. Schon zu Zeiten Bismarcks begann man, Schutzgesetze für Arbeitnehmer, das heißt Leute in abhängiger Beschäftigung einzuführen. Diese mehr, als hundertjährige Tradition im deutschen Recht hat sich bis heute gehalten. Erst in letzter Zeit beginnt man aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Lage darüber nachzudenken, ob diese Schutzgesetze nicht reduziert werden sollten.
Beginnen wollen wir unsere Serie zum Arbeitsrecht mit einem der zentralen Themen: dem Kündigungsschutz. In Deutschland darf ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nicht einfach gekündigt werden. Vielmehr bedarf die Kündigung, mit Ausnahme von Kleinbetrieben, stets eines Kündigungsgrundes. Erst wenn ein Kündigungsgrund gegeben ist, ist eine Kündigung überhaupt zulässig. Danach muß überlegt werden, innerhalb welcher Frist sie zu erfolgen hat. Hierbei unterscheidet man zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Nur bei einer außerordentlichen Kündigung ist eine fristlose Kündigung, das heißt eine Kündigung am heutigen Tage, möglich. Bei den sogenannten Kündigungen muß der Arbeitgeber Fristen einhalten, mindestens 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Das heißt in der Praxis, auch wenn bei einem Arbeitnehmer ein ordentlicher Kündigungsgrund gegeben ist, darf dieser weiterhin noch mindestens 6 Wochen innerhalb eines Betriebes arbeiten oder zumindest verdient er noch für die 6 Wochen sein Arbeitseinkommen, bevor das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet werden kann.
Schauen wir uns jedoch zuerst die Kündigungsgründe an. Bei den Kündigungsgründen unterscheidet man zwischen den ordentlichen und den außerordentlichen Kündigungsgründen. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer ein Fehlverhalten zuschulden hat kommen lassen, das es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, mit dem Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von dem Fehlverhalten das Arbeitsverhältnis auflösen will. Der Begriff des Fehlverhaltens ist hierbei extrem eng zu interpretieren. Nicht jedes einfache Fehlverhalten eines Arbeitnehmers, so z.B. Zuspätkommen zur Arbeit oder Unpünktlichkeit oder Unzuverlässigkeit, berechtigt den Arbeitgeber, außerordentlich zu kündigen. Das Fehlverhalten muß vielmehr so intensiv sein, daß es dem Arbeitgeber objektiv, das heißt aus Sicht eines jeden Dritten, nicht mehr zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das ist regelmäßig eigentlich nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bestiehlt oder Unterschlagungen oder anderweitige Straftaten gegen den Arbeitgeber selbst oder dessen Vermögen begeht. In anderen Fällen wird es dem Arbeitgeber regelmäßig zumutbar sein, den Arbeitnehmer lediglich abzumahnen wegen seines Fehlverhaltens und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, um dem Arbeitnehmer noch eine Chance zur Besserung zu geben. Grenzfälle sind die sogenannten Verdachtskündigungen. Wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer begründet verdächtigt, daß er eine Straftat gegen seinen Körper oder sein Vermögen begangen hat, eine rechtskräftige Verurteilung jedoch noch nicht gegeben ist, so ist auch in diesem Fall eine außerordentliche Kündigung zulässig. Zwar kann sich auch der Arbeitnehmer auf die strafrechtliche Unschuldsvermutung berufen, das heißt solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt er als unschuldig. Auf der anderen Seite muß man aber auch das berechtigte Interesse des Arbeitsgebers berücksichtigen, mit diesem Arbeitnehmer nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen, wenn der Arbeitgeber seinen Verdacht hinreichend belegen kann. Anderenfalls müßte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung weiterbeschäftigen. Ist ein außerordentlicher Kündigungsgrund nicht gegeben, so ist zu prüfen, ob ein ordentlicher Kündigungsgrund vorliegt. Hierbei ist zu differenzieren. Bei Kleinbetrieben, das heißt Betrieben, die weniger, als 11 Mitarbeiter haben, ist eine Kündigung stets zulässig. Hier muß nur noch die Kündigungsfrist beachtet werden. Bei größeren Betrieben ist eine Kündigung nur zulässig, wenn sie verhaltensbedingt, betriebsbedingt oder personenbedingt ist.
Unter einem personenbedingten Kündigungsgrund versteht man eine Ursache in der Person des Arbeitnehmers, die es dem Arbeitgeber erlaubt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Typischer Fall der personenbedingten Kündigung ist eine länger andauernde Krankheit. Hier ist es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis über die Dauer einer fristgerechten Kündigung hinaus fortzusetzen, da der Arbeitgeber den Personalausfall in seinem Betrieb durch andere Arbeitskräfte ersetzen müßte und hierfür in den meisten Fällen eine Neueinstellung vorzunehmen hat. Wird der alte Arbeitnehmer wieder gesund, wäre er personell überbesetzt.
Unter einer verhaltensbedingten Kündigung versteht man eine Kündigung, die ihre Ursache in dem Verhalten des Arbeitnehmers hat. Typische Ursachen für eine verhaltensbedingte Kündigung sind z.B. Zuspätkommen zur Arbeit, Unzuverlässigkeit oder schlechte Arbeitsausführung. Hierbei darf jedoch nicht beim ersten Mal gekündigt werden. Nach deutschem Recht muß der Arbeitnehmer zunächst einmal abgemahnt werden, das heißt der Arbeitgeber muß ihm zum einen sein Fehlverhalten klarmachen und zum anderen deutlich genug betonen, daß wenn der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten nicht ändert, ihm der Arbeitsplatz gekündigt wird. Erst wenn dann der Arbeitnehmer zum zweiten Mal trotz Hinweis das gleiche Fehlverhalten an den Tag legt, darf gekündigt werden.
Ist ein personenbedingter oder verhaltensbedingter Kündigungsgrund nicht gegeben, bleibt nur noch die betriebsbedingte Kündigung. Unter bedtriebsbedingter Kündigung versteht man die Kündigung aus betrieblichen Gründen, das heißt regelmäßig zu wenige Aufträge im Betrieb oder bei Rationalisierungsmaßnahmen. Eine solche betriebsbedingte Kündigung ist aber nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Neben der Voraussetzung, daß der Arbeitswegfall tatsächlich vorliegen muß und nicht einfach vom Arbeitgeber herbeigeführt wurde, muß der Arbeitgeber auch einen sogenannten Sozialplan aufstellen. Er muß zunächst überprüfen, ob bei den Mitarbeitern, bei denen der Arbeitsplatz weggefallen ist, nicht eine Umsetzung an einen anderen, ähnlich guten Arbeitsplatz in Betracht kommt. Ist dieses betriebsintern nicht möglich, muß er unter den Arbeitnehmern seines Betriebes eine soziale Auswahl treffen, das heißt zunächst sind die jüngsten Mitarbeiter und die Mitarbeiter ohne Familie oder anderweitige Unterhaltsverpflichtungen zu kündigen. Hierin erkennt man deutlich die soziale Ursache des Kündigungsrechtes. Ein älterer Arbeitnehmer hat regelmäßig größere Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden, als ein jüngerer. Deshalb hat der Arbeitgeber zunächst die jüngeren Mitarbeiter zu kündigen, weil diese bei der Suche einer anderen Stelle die größeren Erfolgschancen haben. Unter den verbleibenden Mitarbeitern sind zunächst diejenigen auszuwählen, die keine Unterhaltsverpflichtungen haben, die also eine Arbeitslosigkeit weniger schwer treffen würde, als Arbeitnehmer mit Familie und die daneben, da sie ohne familiäre Bindung sind, auch leichter den Arbeitsort wechseln können. Erst wenn ein solcher Sozialplan existiert und im übrigen die sozialen Kriterien bei der Erstellung des Sozialplans beachtet wurden, ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig.
Abschließend sind noch die Kündigungsfristen bei Kündigungen zu beachten. Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Ist jedoch ein Arbeitnehmer in einem Betrieb länger beschäftigt, verlängert sich auch die Kündigungsfrist, so zum Beispiel bei zwei Jahren Beschäftigungsdauer auf 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats, bei acht Jahren Beschäftigungsdauer auf 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats, bis schließlich bei 20 Jahren Beschäftigungsdauer auf 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Zu beachten ist bei Kündigungen auch noch, daß soweit ein Betriebsrat besteht, dieser gewisse Mitspracherechte hat. Auf die Rolle des Betriebsrats bei Kündigung soll jedoch an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. Diesbezüglich werden wir einen eigenen Artikel zum Betriebsrat schreiben.
Abschließend soll noch auf die Rechtsschutzmöglichkeit bei Kündigungen eingegangen werden. Bei Kündigungen hat der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung, wenn er sich gegen den Kündigungsgrund verteidigen will, Klage beim Arbeitsgericht zu erheben. Dort findet dann zunächst eine Güteverhandlung statt, in der die Parteien noch nicht streitig verhandeln, sondern versuchen, sich zu einigen. Erst wenn eine Einigung in dem Gütetermin nicht zustandekommt, beginnt die eigentliche arbeitsrechtliche Verhandlung. In Fällen, wo zwar eine Kündigung unberechtigt ist, jedoch der Arbeitgeber deutlich genug zu erkennen gibt, daß er in Zukunft den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen und ihn eventuell sogar schikanieren will, wenn er dann zu einer Wiederbeschäftigung erscheint, gibt es die Möglichkeit einer Abfindung.
Die Abfindung bemißt sich nach der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Als Faustformel dient hierfür ein Monatslohn für ein Jahr Beschäftigungsdauer. Der Arbeitgeber kann sich damit praktisch von einer Wiederbeschäftigung freikaufen. Für den Arbeitnehmer hat das nicht nur den Vorteil, daß er mehr erhält, als wenn er in dem fraglichen Zeitraum noch arbeiten würde, sondern auch, daß diese Abfindungsleistungen steuerbegünstigt sind, das heißt diese Leistungen unterliegen bis zu einem Betrag von DM 12.000,- nicht der Steuer und den übersteigenden Betrag hat der Arbeitnehmer nur zum halben Steuersatz zu versteuern.
Damit endet unser heutiger Artikel über die Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Die Serie zum Arbeitsrecht werden wir in unserem nächsten Artikel mit der Stellung des Betriebsrates fortsetzen.